Medizinische Kindesmisshandlung

Aggravierte, vorgetäuschte und hervorgerufene Erkrankungen und ihre Folgen

Ausgabe: pädiatrische praxis, 2025, Band 103/02, mgo fachverlage GmbH & Co. KG (ISSN 0030-9346)

Zusammenfassung: Die »Medizinische Kindesmisshandlung« (MKM), international als »Medical Child Abuse« (MCA) bekannt, stellt eine besondere Form der Kindesmisshandlung dar. Die Bezeichnung setzt sich zunehmend als Oberbegriff für Situationen durch, in denen Sorgeberechtigte Symptome übertreiben, erfinden oder aktiv herbeiführen. Unabhängig von der Handlungsmotivation der verursachenden Person führt MKM häufig zu un nötigen diagnostischen Maßnahmen und medizinischen Eingriffen, die potenziell schädlich für das betroffene Kind sind. Die Diagnosestellung ist herausfordernd, da das Gesundheitssystem grundsätzlich auf die Angaben der Sorgeberechtigten vertraut und diskrepante Befunde nicht immer unmittelbar als potenzielle Kindesmisshandlung erkannt werden. MKM kann unterschiedliche Schädigungsformen annehmen, darunter direkte körperliche Manipulationen, indirekte iatrogene Schädigungen und sekundäre Auswirkungen wie die Entwicklung einer verzerrten Krankheitswahrnehmung beim Kind. Charakteristische Warnsignale umfassen eine eigeninitiative Vorstellung bei einer Vielzahl von Ärztinnen und Ärzten (Ärztehopping), widersprüchliche anamnestische Angaben und inadäquate elterliche Reaktionen auf medizinische Befunde. Die Diagnosestellung erfordert ein interdisziplinäres Vorgehen mit detaillierter Fallanalyse, unter Einbeziehung von Kinderschutzgruppen und in der Regel einer stationären Aufnahme des Kindes. Eine strukturierte Kommunikation und klare Absprachen mit den Sorgeberechtigten sind essenziell, um weitere Schädigungen zu verhindern. Die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt spielt dabei eine zentrale Rolle, insbesondere wenn elterliche Einsicht und Kooperationsbereitschaft fehlen. Das Fallbeispiel verdeutlicht die typischen Herausforderungen im Umgang mit betroffenen Familien, einschließlich der Notwendigkeit klarer medizinischer Empfehlungen und kontinuierlicher Überprüfung durch das Jugendamt. Der Artikel unterstreicht die Bedeutung einer frühzeitigen Identifikation und koordinierten Intervention, um langfristige Schäden für die betroffenen Kinder zu minimieren.

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Autoren: J. Ewert, G.-M. Semrau, O. Berthold, S. Winter

Rubrik: Jugendmedizin, Radiologie, Diverses

Verlag: mgo fachverlage GmbH & Co. KG

Stichworte: Kinderschutz, Kindeswohlgefährdung, Medical Child Abuse, Medizinische Kindesmisshandlung, Münchhausen-by-proxy, Ärztehopping

ISSN: 0030-9346

Institut: Kinder-UKE, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf; Medizinische Kinderschutzhotline; Forschungssektion Traumafolgen und Kinderschutz, Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Campus Virchow, Charité - Universitätsmedizin Berlin; DRK Kliniken Berlin; Kinderschutzambulanz, Traumaambulanz für Kinder und Jugendliche, Childhood-Haus Berlin; Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Campus Virchow, Charité - Universitätsmedizin Berlin